Quelle: Birgitt Schunk, Freies Wort Ressort Thüringen, Suhler Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG

An niedrigen Preisen, steigenden Kosten und schlechteren natürlichen Bedingungen hat Südthüringens Landwirtschaft schwer zu tragen. Fotos: ani

Suhl - "Wir könnten gut und gerne auf die Zahlungen für benachteiligte Gebiete verzichten, wenn wir den doppelten Ertrag vom Feld holen würden", sagt Silvio Reimann, der Geschäftsführer der Milchland GmbH Veilsdorf (Kreis Hildburghausen). 100 Dezitonnen Getreide wie in der Thüringer Acker-Ebene wären auch ihm lieber. Da der Boden das in hiesigen Breiten jedoch nicht hergibt, bekommt der Betrieb eine Ausgleichszulage. Sie ist ein Teil der 1,8 Millionen Euro, die jährlich in das Agrarunternehmen fließen. Ohne diese Gelder - so viel steht fest - würde sich die Landwirtschaft aus den Höhenlagen zwischen Rhön und Rennsteig zurückziehen. "Was sich nicht rentiert, müsste ganz einfach abgestoßen werden", sagt auch Hans Popp von der Landwirtschaftlichen Produktions-GmbH in Rappelsdorf bei Schleusingen. Und das sei unbestritten der Abschied von der flächendeckenden Landwirtschaft.

Bergwiesen verbuschen

Die Agrargenossenschaft Schalkau (Kreis Sonneberg) kann das nur unterschreiben. Auf 500 Hektar Naturschutzfläche hat der Betrieb Schafe stehen. "Die 60 bis 70 Euro, die wir für ein Lamm im Schnitt bekommen, decken nicht mal die Lohnkosten", sagt Vorstandschef Hans-Jürgen Scheler. Die Preise für die Wolle seien nicht der Rede wert. Nur mit den Geldern aus dem Kulturlandschaftsprogramm (Kulap) könne man die Schäferei und somit die Weiden noch halten. 110 bis 350 Euro gibt es - je nach Wertigkeit der Fläche aus Sicht des Naturschutzes - pro Hektar und Jahr dafür. "Wenn das Geld irgendwann nicht mehr käme, würden wir sofort die Schafe abschaffen." Das sei sicher.

In Urlaubsgebieten wie rund um Steinach oder Mengersgereuth-Hämmern würden Bergwiesen und Täler dann verbuschen. "So schnell kann man gar nicht gucken wie das zuwächst", weiß Scheler. Die Postkartenmotive im Thüringer Wald würden zwangsläufig schnell verschwinden. "Vielleicht käme nach Jahren dann wieder einer auf die Idee, ein neues Projekt zur Entbuschung aufzulegen. Das allerdings würde auch wieder Millionen verschlingen". Fachleute hätten ausgerechnet, sagen die Landwirte, dass die Landschaftspflege durch Dienstleister bei einer abgelegenen, steilen Bergwiese gut und gerne zwischen 1000 und 2000 Euro pro Hektar und Jahr kosten kann. "Wir machen das billiger", so der Schalkauer.

Nur mit vielen Auflagen

Doch auch für die Landschaftspflege werden die Gelder nicht wie Blanko-Schecks an die Bauern rübergeschoben. Vom aufwendigen Antragsverfahren mal ganz abgesehen, müssen viele Auflagen erfüllt werden. "Wer Verträge mit dem Naturschutz hat, geht auch viele Verpflichtungen ein", weiß Hans Popp.

Wann der Landwirt die Grünfläche mähen darf, ist nämlich auf den Tag genau festgelegt. Bevor die Bergwiesen nicht geblüht haben, darf das Mähwerk nicht ran. "Das Futter ist dann allerdings oft holzig, taugt nichts mehr und enthält viel weniger Energie. Schlechtere Silage oder Heu sind logischerweise das Ergebnis und das bedeutet beim Füttern automatisch weniger Milch", sagt Albert Seifert, der Vorstandsvorsitzende der Agrargenossenschaft Milz (Kreis Hildburghausen). Und deshalb müssten auch diese Einbußen übers Kulap-Programm ausgeglichen werden. Das Wort "Subventionen" will er wie die anderen Landwirte dabei nicht in den Mund nehmen. "Das hört sich an, als bekämen wir Geschenke fürs Nichtstun, weil wir nicht in der Lage wären, rentabel zu arbeiten. Dabei machen wir etwas für die Gesellschaft, was sich betriebswirtschaftlich gesehen an sich für uns nicht rechnet." Darüber allerdings spreche kaum jemand, wenn er von Millionen-Zuschüssen für die Bauern rede.

Letztendlich, sagt Seifert, wolle die Politik dauerhaft preiswerte Nahrungsmittel haben. Das sei schon zu DDR-Zeiten so gewesen. Damals ging man in den Konsum, brachte die Eier vom eigenen Hühnerhof dorthin, bekam gutes Geld dafür und konnte die gleichen Eier zum Spottpreis sofort wieder kaufen. "Die Landwirte bekamen durch die staatlichen Aufkäufe direkt das Geld. Heute erfolgt dies über Umwege wie Ausgleichszahlungen", sagt der Milzer, der Vizepräsident des Thüringer Bauernverbandes ist.

Auch für preiswerte Milch

Und so sei die Unterstützung der Landwirtschaft heute nichts anderes als eine Stütze der Lebensmittelpreise und somit der Verbraucher. Die 579 000 Euro, die in sein Unternehmen im Grabfeld jährlich fließen, sorgten also auch für preiswerte Milch, Fleisch und Butter. "Das müssen die Leute wissen, wenn sie im Internet lesen, welcher Agrarbetrieb wieviel Geld bekommt", sagt Seifert. Und noch mehr: Man hätte sich gewünscht, dass im gleichen Atemzug auch Betriebsgröße und Arbeitsplätze benannt werden. "Mehr Hektar bedeuten auch mehr Geld, aber auch mehr Kosten und mehr Arbeitsplätze", sagt Silvio Reimann von der Milchland GmbH, in der samt Tochterunternehmen 150 Leute in Lohn und Brot stehen.

Kein Zurücklehnen

Trotz der auf den ersten Blick satten Summen können sich die Agrarbetriebe nicht zurücklehnen. Bei einem Milchpreis von 40 Cent pro Liter wie letztes Jahr, Betriebsprämie, Ausgleichszahlungen etc. ließ sich ordentlich wirtschaften. Längst ist das aber nicht mehr der Fall. Der Milchpreis ist fast auf die Hälfte abgesackt. Wenn die Zahlungen aus öffentlicher Hand kommen, erreichen diese den Betrieb oftmals gar nicht mehr. "Viele Unternehmen haben schon Abtretungserklärungen unterschrieben. Jeder Cent wird weiter gereicht an Saatgutfirmen oder Landmaschinenhändler, um die Schulden bezahlen zu können", weiß Norbert Wirsching vom gleichnamigen Familienbetrieb in Rieth (Kreis Hildburghausen). Um die Liquidität ist es vielfach schlecht bestellt in Südthüringens Agrarbetrieben. Neben den aktuell niedrigen Milchpreisen kam letztes Jahr ein weiterer Tiefschlag hinzu. Während in der Acker-Ebene Rekordernten eingefahren wurden, litten die Bauern dieseits des Rennsteig unter extremer Trockenheit. 30 Dezitonnen Getreide pro Hektar waren im Schnitt in den betroffenen Gebieten die magere Ernteausbeute. "Das steckt uns heute noch in den Knochen", sagt Wirsching. Zum Glück betreibe man noch eine Biogasanlage. "Dadurch habe ich derzeit monatlich die gleichen Einnahmen wie durch die Milch".

Zwischen beiden Standbeinen gebe es allerdings einen gewaltigen Unterschied: Die Biogasanlage könne man betreiben mit drei Arbeitsstunden am Tag. In der Milchproduktion seien vier Leute das ganze Jahr über an sieben Tagen der Woche jeweils acht Stunden beschäftigt. "Mit der Biogasanlage halten wir somit die Milchproduktion aufrecht", so der Landwirt. Andere Betriebe, die das nicht könnten, stünden noch weitaus schlechter da - trotz Gründlandprämie von 82 Euro je Hektar im Jahr. Unterm Strich aber bleibe für alle: "Die Milchproduktion rechnet sich derzeit nicht. Das ist aber genau der Zweig, der Arbeitsplätze schafft und die Kulturlandschaft erhält."

Das Geflecht, in dem sich Deutschlands Bauern befinden, ist kompliziert und hat eine lange Geschichte. Nach dem II. Weltkrieg gab es in Europa ein wichtiges Ziel, nämlich die Leute satt zu kriegen. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft wurde gegründet und die Landwirtschaft war gewissermaßen der kleinste gemeinsame Nenner, den man sofort in Angriff nahm. "Nichts ist heute so vereinheitlicht wie der Agrarsektor", sagt Albert Seifert.

In den 1970er Jahren dann der Schwenk. Die Überproduktion setzte ein, die Regulierung begann. 1984 wurde die Milchquote eingeführt. Brüssel sagt heute, was der Landwirt in Deutschland zu tun und zu lassen hat. Ansonsten gibt's kein Geld. Allein 100 Punkte müssen aus dem Cross-Compliance-Programm, das Umweltstandards festlegt, erfüllt werden. Und das bedeutet u.a. beispielsweise, dass die Betriebe verpflichtet wurden, Lagerkapazitäten für Gülle aufzubauen. Rund 300 000 Euro kann man dabei für einen 5000-Kubikmeter-Behälter veranschlagen. Es musste also erst einmal Geld angefasst werden, um welches zu bekommen.

Belege über jede Tablette

Auch in Sachen Tiergesundheit gibt es strenge Maßstäbe. "Das ist verschärfter als beim Menschen", sagt Albert Seifert. "Wenn der nämlich Kopfschmerzen hat, geht er in die Apotheke und holt sich Tabletten. Wenn allerdings ein Rind Krankheitssymptome zeigt, dann können wir als Betrieb nicht einfach Medizin kaufen und verabreichen - selbst wenn sie nicht einmal verschreibungspflichtig ist." Akribisch müssten Medikamenten-Abgabebelege über jede Tablette geführt werden, die die Verpackung verlasse. All das werde vom Amt kontrolliert.

Dass das Cros der Agrarbetriebe trotz aller Erschwernisse und Brüsseler Hürden bis heute durchgehalten hat, hat Seifert zufolge vor allem auch mit einem zu tun: "Der offizielle Basislohn in der Landwirtschaft beträgt für einen Facharbeiter 8,20 pro Stunde", sagt er. Teilweise könnten nur 6,50 Euro in den Betrieben gezahlt werden. Und das sei weniger als die Hälfte des Industrielohns. Und der Riether Norbert Wirsching ist ganz sicher: "Ein Arbeiter von Opel würde für das Geld am Morgen nicht aufstehen."

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