Quelle: Birgitt Schunk, Freies Wort Lokalausgabe Hildburghausen, Suhler Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
In Veilsdorf ist der Erntekapitän weiblich: Nancy Vogt aus Waffenrod fährt einen der vier Mähdrescher
Die Mähdrescher-Kolonne sitzt in den Startlöchern. Regen hat die Ernte wieder unterbrochen. In der Milchland GmbH Veilsdorf wartet man mit Ungeduld darauf, dass es weiter geht. Auch Nancy Vogt möchte lieber heute als morgen wieder ihre Runden drehen.
Nancy Vogt sitzt seit 2000 auf dem Mähdrescher und bildet zudem Lehrlinge aus. Bild: B. Schunk
Sie steuert einen der vier Kolosse, die die Druschfrüchte auf insgesamt 1725 Hektar vom Halm bringen sollen. Die Tage, an denen es richtig rückt, sind gezählt in diesem Jahr. "Nur ab und an konnten wir voll durcharbeiten", sagt Hendrik Höhlein, der Leiter des Bereiches Pflanzenproduktion im Betrieb. Am 8. Juli hatte die Ernte begonnen in der Milchland GmbH. Noch aber steht das Gros der Druschfrüchte draußen.
An diesem Tag jedoch sieht es gut aus am Himmel. Das Wetter scheint zu halten. Jetzt muss runter, was geht. Die Rapsernte ist gerade abgeschlossen worden, nun sind die Erbsen an der Reihe. Doch ehe es soweit ist, muss die Technik umgerüstet werden. Die Männer hantieren in gewohnter Weise mit dem Werkzeug, auch Nancy Vogt. Dass Frauen keine Ahnung haben von Technik, dieses Vorurteil hat sie längst ausgeräumt. "Hier ist es genau umgekehrt", sagt Hendrik Höhlein. "Sie könnte einen Mähdrescher auseinander nehmen und auch wieder zusammen bauen". Darauf könnte er wetten - und die anderen wohl auch.
Längst wundert sich keiner mehr, dass die 28-Jährige auf dem Bock sitzt. "Das war anfangs vielleicht mal so, jetzt aber ist das kein Thema mehr", sagt sie. Behend klettert die junge Frau auf der schweren Technik rauf und runter, schraubt, zieht fest, wechselt aus. Landmaschinenschlosser hat sie nie gelernt. "Das eignet man sich nebenbei so an". Seit sieben Jahren fährt sie Mähdrescher und nimmt seitdem das ganze "Programm" einer Sommerernte mit. Bis halb drei nachts hat sie schon gedroschen. "Da hat man dann auch mal die Nase voll". Aber nur für den Moment, denn am nächsten Tag geht es wieder weiter. "Mir macht das ganz einfach Spaß", ist die Waffenroderin voll dabei - auch wenn man nie weiß, wann der Arbeitstag zu Ende sein wird. Auch wenn an Urlaub nicht zu denken ist. Noch wartet schließlich keine eigene Familie zu Hause. Dass es trotzdem kein Zuckerschlecken ist in einer Männerdomäne, weiß sie aber sehr wohl.
An der Frontscheibe ihre Gefährtes hat Nancy Vogt einen Spruch angebracht, der treffender wohl nicht sein könnte: "Frau zu sein ist schwer: man muss denken wie ein Mann, sich geben wie eine Dame, aussehen wie ein junges Mädchen und arbeiten wie ein Pferd".
"Man muss viel übrig haben für die Landwirtschaft, sonst bleibt man nicht dabei - und als Frau schon gar nicht", sagt Höhlein. Reich wird schließlich keiner. Die Löhne liegen landauf, landab insgesamt weit hinter denen in der Industrie zurück. Nur wer ein Herz habe für die Agrarwirtschaft, bewältige solche Anforderungen - ... und kommt dabei sogar manchmal ins Schwärmen. Nancy Vogt wünscht sich eine noch größere Maschine. Letztes Jahr konnte sie eine testen mit neun Metern Schneidwerk. "Das war fantastisch".
An diesem Nachmittag rollen die Mähdrescher vom Hof. Nancy Vogt führt die Mannschaft an. Sie ist der heimliche Erntekapitän. Die Männer reihen sich hinter ihr ein. "Ein gewohntes Bild", sagt Hendrik Höhlein schmunzelnd. Oberhalb von Harras angekommen drehen Vogt & Co. eine erste Proberunde. Der Regen vergangener Tage hat die Erbsen schon fast zum Liegen gebracht. Der Pflanzenbau-Chef misst die Feuchtigkeit des Erntegutes: 14,9 Prozent. Es könnte wahrlich weniger sein, doch der Sommer 2007 hat seine eigenen Gesetze. Der nächste Regen ist angekündigt und der würde den Erbsen vollends den Garaus machen. Besser den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach: "Gib Gas", sagt Höhlein. Die Ernte geht weiter. Die Mähdrescher ziehen ihre Runden. Auch die Landwirtin wird wieder ihren Mann stehen. Nur der Holzkeil unter ihren Sandalen, ohne den ihre Füße nicht den Boden berühren würden, erinnert daran, dass hier eine zierliche Frau auf dem Bock sitzt.